Ein Angriff auf uns alle

Erst Heilbronn, dann Kassel, Rostock, Nürnberg und nun Zwickau. Was sich ähnlich wie die Spur des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) durch Deutschland liest, steht mit bestürzender Aktualität im neuerlichen Zusammenhang mit besagtem Terrornetzwerk.

Am 04. Oktober wurde der Baum, der in Gedenken an den vom NSU erschossenen EnverŞimşek im Zwickauer Schwanenteichpark gepflanzt wurde, gefällt und das Denkmal geschändet. Keinen Monat nachdem die Erinnerungsstätte im Herzen von Zwickau errichtet wurde. In 5 von 8 Städten in Deutschland, in denen Denkmäler an die Opfer des NSU erinnern, wurden die Gedenkstätten geschändet. Manche davon mehrmals¹. Als wären die Ermittlungspannen, die jahrelange Verharmlosung und der gesellschaftliche Diskurs um den stattfindenden rechten Terror für die Hinterbliebenen und die Zivilgesellschaft nicht unerträglich genug, wird seit dem Auffliegen des NSU systematisch von Akuter*innen der extremen Rechten versucht, auch die Erinnerung an die Taten zu verhindern. Die widerlichen Schändungen der Stätten richten sich dabei nicht nur gegen die direkten Opfer des NSU – EnverŞimşek (38 Jahre), Abdurrahim Özüdoğru (49 Jahre), Süleyman Taşköprü (31 Jahre), Habil Kiliç (38 Jahre), Mehmet Turgut (25 Jahre), İsmail Yaşar (50 Jahre), Theodoros Boulgarides (41 Jahre), Mehmet Kubaşık (39 Jahre), Halit Yozgat (21 Jahre), Michèle Kiesewetter (22 Jahre)und alle Hinterbliebenen sowie ungenannten Opfer rechter Gewalt – ,sondern strahlen darüber hinaus in unsere Gesellschaft und unser Zusammenleben. Sie sind als direkter Angriff auf unsere Demokratie, unsere vielfältige Gesellschaft und alle Menschen, die nicht in das Weltbild der extremen Rechten passen, zu verstehen. Es ist ein Angriff auf uns alle!

Es ist erschreckend, wie alltäglich und präsent rechte, rassistische und antisemitische Gewalt in unserer Gesellschaft ist. Diese und viele weitere Dimensionen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit stellen eine feste Konstante in unserer bundesdeutschen Geschichte da und wir erleben keinen Rückgang dieser Gewalt, sondern nur immer wieder neue Tiefpunkte. Seit 1990 sind laut der Amadeu Antonio Stiftung 198 Menschen aufgrund von rechtsmotivierter Gewalt getötet worden. Die Bundesregierung zählt für den gleichen Zeitraum 84 Opfer². Es sind Zahlen, die bestürzen.

Die Erinnerung an die Opfer, die in unserer Mitte ermordet wurden, lässt sich nicht durch die Schändung von Denkmälern oder das Begehen neuer Verbrechen stoppen. Jedoch reicht es dabei nicht aus, diese Schändungen und Verbrechen der extremen Rechten nur zu verurteilen. Es gilt der klare Auftrag an uns alle, unsere Sicherheitsbehörden und an unseren Staat, die in Deutschland lebenden Minderheiten und die Menschen, die alltäglich von rassistischer und antisemitischer Gewalt betroffen sind, zu schützen und zu unterstützen. Nicht nur als Reaktion oder als Aufschrei aufgrund neuer Schlagzeilen über neue Verbrechen, sondern als universell geteilte Säule unseres Zusammenlebens. Solidarität, Courage, Anerkennung und die Begegnung auf Augenhöhe als direkte Unterstützung von Betroffenen rechter, rassistischer oder antisemitischer Gewalt.

Justin Janorschke

Mitarbeiter Betroffenenberatung m*power

 

¹ https://www.welt.de/politik/deutschland/article201795384/NSU-Die-meisten-Mahnmale-fuer-Opfer-werden-geschaendet.html (Abgerufen am 13.10.2019)

² https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/todesopfer-rechter-gewalt/ (Abgerufen am 13.10.2019)

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